DIE GESCHICHTE DES PARFUMS

19. - 21. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert gilt mit der erstmaligen Verwendung synthetischer Produkte als Beginn der modernen Parfümerie. Bei genauer Betrachtung der Entwicklung fällt auf, dass einst keine Unterscheidung zwischen weiblichen bzw. männlichen Düften gemacht wurde. Erst im Laufe der Jahrhunderte wurde dem weiblichen Duft die Macht der Verführung zugesprochen und dementsprechend weiterentwickelt. Für Männer beschränkte sich die Verwendung von Duftprodukten hauptsächlich auf Hygiene und Rasur. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich dieser Aspekt in der Männer-Parfümerie jedoch weiterentwickelt. Dennoch sind Herrendüfte ein neues Konzept im Vergleich zur langen Geschichte des Parfums.

Auch die Globalisierung trug ihren Teil zur Entwicklung der Parfumindustrie bei: Sie führte klar zur Vereinheitlichung und Standardisierung von Trends in allen großen Städten. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kennzeichnet die Massenherstellung von Parfums zu niedrigeren Herstellungskosten und entsprechend günstigeren Preisen. Dadurch hatte nun eine breitere Öffentlichkeit Zugang zu Parfums, was wiederum einen Einfluss auf die Vielzahl neuer Markteinführungen und deren Erfolge nahm. Tatsächlich existieren einige wenige Zivilisationen, die kein Teil der Globalisierung des Parfums geworden sind. In Ozeanien beispielsweise nutzen Menschen noch immer Pflanzen zum Einreiben ihres Körpers.

1910 - 1960

Zum echten Luxusprodukt entwickelte sich das Parfum in der sogenannten Belle Époque (1880 - 1914). François Coty, ein avantgardistischer Parfümeur, und Renée Lalique, ein berühmter Juwelier und Glasmacher des Jugendstils, kreierten gemeinsam die ersten modernen Flakons und deren Inhalte.

François Coty - Wikipedia

René Jules Lalique - Wikipedia

  • 1911 wurde Paul Poiret mit Les Parfums de Rosine der erste Couturier und Parfümeur.
  • 1921 kreiert Gabrielle Chanel Chanel N°5. Ihr Ziel war es ein stilsicheres Komplettpaket zu kreieren, welches von Kleid bis zum Hut reicht und das Parfum als "ultimatives und unübertreffliches Accessoire" inkludiert.
  • Christian Dior bringt sein erstes Parfum Miss Dior (1947) auf den Markt
  • Francis Fabron entwirft l'Air du Temps (1948).
  • 1934 entwirft Ernest Daltroff, der Gründer von Caron, den allerersten Herrenduft Pour Un Homme.
  • 1955 erscheint Chanels Pour Monsieur auf dem Markt.
  • 1959 kreierte das deutsche Haus Mäurer & Wirtz seinen Duft Tabac Original.
  • Die 1960er Jahre gelten als die Geburtsstunde neuer und aufregender französischer Parfums. Zum Beispiel Brut Pour Homme von Fabergé (1964), Lancômes Balafre (1967) und Eau Sauvage von Christian Dior (1966).
  • Im Ausland entstanden neue Herrenparfums wie Aramis von Estée Lauder (1964), British Sterling von Dana (1965) und Hai Karate von Leeming Division Pfizer (1967).

70er Jahre

Der Aufstieg einer neuen Generation, Konventionen bröckeln, ein Gefühl von Freiheit erfasst junge Menschen in Europa. Künstlerische Bewegungen - Disco, Punk & Hippie - man kann alles sein was man will. Das Jahrzehnt für sinnliche und teils auch skandalöse Düfte.

  • Die Emanzipation der Frau spiegelt sich auch in ihrer Haltung zum Parfum wider: Es geht hierbei um ihr eigenes Vergnügen und nicht das des Mannes.
  • Bekannte Düfte dieser Epoche sind N°19 von Chanel, Alliage von Estée Lauder, Diorella von Dior, Aromatics Elixir von Clinique und Yves Saint-Laurents mystisch skandalöses Opium, das allein wegen seines Namens provozieren sollte (1977).
  • Männer trennen ihr Parfum zunehmend vom Ritual des Rasierens und wenden sich stärkeren "männlicheren" Düften zu, vor allem mit Fougère-Akkorden wie Azzaro pour Homme (1978), Paco Rabanne pour Homme (1973) oder Chypre-Akkorden wie Ralph Lauren Polo (1978) oder YSL pour Homme (1971).

80er Jahre

Westliche Eliten, breite Schulterpolster, Geld, Sex & künstliche Idyllen. Ein Jahrzehnt des Exzesses. Der Körperkult erreicht seinen Höhepunkt, der Duftunterschied der Geschlechter nimmt weiter zu.

  • Geheimnisvoll, betörend, fast wie eine gefährliche Waffe: 1985 wird Diors Klassiker Poison kreiert und stellt somit die Welt des Parfums auf den Kopf.
  • Auch Cartiers Must de Cartier und Coco von Chanel kommen in diesem Jahrzehnt auf den Markt. Allesamt extravagante Kreationen mit einer orientalischen Note sowie einer kraftvollen, reichhaltigen und komplexen Sillage (die Duftspur, die Parfumträger beim Vorbeigehen hinterlassen).
  • Die neue Frische der Männerparfums äußern sich in einer sportlichen, komplexen Nuance, die die Grundlagen der klassischen Fougère aufgreift, aber mit neuen Materialien kombiniert, um eine modernere Männlichkeit zu schaffen: Cool Water von Davidoff (1988), Drakkar Noir von Guy Laroche (1982), Eternity For Men von Calvin Klein (1989), Kouros von YSL (1981), Fahrenheit von Dior (1988).

90er Jahre

Die Nuancen der Düfte werden leichter, transparenter, vermitteln ein Gefühl von Hygiene. Meeresnoten erinnern an ein verlorenes Paradies.

  • New West for him (1988) und for her (1990) von Aramis erobern den Markt.
  • Kenzo pour Homme (1991) und L'Eau D'Issey (1992) sind bis heute Klassiker, Aqua di Gio von Armani (1995) und Chrome von Azzaro (1996) erlangen ebenfalls Ikonenstatus.
  • Ein neuer Trend entsteht: Zum femininen Duft gibt es ein abgestimmtes maskulines Gegenstück. Auf dem Markt für Herrendüfte erfreuen sich Fougère Parfums weiterhin großer Beliebtheit. Sie sind gekennzeichnet durch einen speziellen Akkord aus den Duftnoten Lavendel, Bergamotte und Geranium. Beispiele sind Égoïste Platinum von Chanel und Hugo von Hugo Boss, aber auch orientalische Düfte wie Égoïste von Chanel (1990), Opium pour Homme von YSL (1995) und Boss Bottled von Hugo Boss (1998).
  • Ein neuer Markt für Jugendliche expandiert und schenkt der Welt den Unisex Duft Ck One von Calvin Klein.
  • Blumige Noten mit fruchtig-orientalischen Nuancen erobern die Herzen: Dune von Christian Dior (1991), Classique von Jean-Paul Gaultier (1993), Allure von Chanel (1996), Trésor von Lancôme (1990) und J'adore von Christian Dior (1990).
  • Zwei völlig fremde und gegensätzliche Neuerscheinungen und Meilensteine in der Geschichte des Parfums tauchen 1992 auf: Angel von Thierry Mugler, der erste weit verbreitete Gourmand Duft, und Féminité du Bois von Shiseido.
  • Männer präferieren in den 90ern stilvolle frische Düfte mit pflanzlichen und mineralischen Noten: Kenzos Pour Homme (1991), Le Male (1996) von Jean-Paul Gaultier, L'Eau d'Isseys Pour Homme (1994), Thierry Muglers A*Men (1996) und Bulgaris Pour Homme (1996). Chanel beendet das Jahrhundert 1999 mit seinem bahnbrechenden Allure Homme.

00er Jahre

Die Jahrtausendwende bringt folgende große Lancierungen mit sich:L'Eau von Kenzo, Ralph von Ralph Lauren, Chloé EDP von Chloé, Chance von Chanel und Light Blue von D&G.

  • Der westliche Markt passt sich dem Nahen Osten an (beispielsweise durch die Addition von holzigen Oud-Noten), um Kund:innen zu gewinnen, die traditionell eher lokale Parfumerie und Mode bevorzugen.
  • Der Trend der "Misses" bzw. leichteren und verspielteren Varianten wird in Gang gesetzt. Coco Mademoiselle von Chanel (2001), Eau de Toilette von Narciso Rodriguez (2003) und Miss Dior Chérie (2005) sind geboren.
  • Üppig und zuckerhaltig ist angesagt: Angel von Thierry Mugler aus den 90ern führt über ein Jahrzehnt die Bestsellerliste in Frankreich. 1 Million von Paco Rabanne (2008) versucht diesen Trend für Männer zu übersetzen. Diese Düfte zählen zur Familie der Gourmand Parfums, der wohl Süßesten der in der Welt. Sie duften herrlich nach unseren liebsten Desserts und nur wenige Sprühstöße liefern die olfaktorische Kulisse einer Patisserie.
  • Darüber hinaus beginnt nun die Zeit der Nischenmärkte. Sie entwickelten sich langsam in den 1960er Jahren: Diptyque im Jahr 1968, L'Artisan Parfumeur im Jahr 1976, Annick Goutal im Jahr 1980. 1992 wurde Les Salons du Palais Royal gegründet und im Jahr 2000 wurde das Haus von Serge Lutens zum Archetypus der Nischenmarken.
  • Somit ist die Branche von der Präsenz etablierter Marken sowie dem gleichzeitigen Wandel durch neue aufregende Brands geprägt. Luxusmarken sind zum Mainstream geworden und der Wunsch nach Exklusivität seitens der Konsument:innen wächst.
  • Bei den Männern beobachten wir eine größere Vielfalt an Geschmäckern. Unisex, frische Aromen (Higher, Polo Blue, Lacoste Style in Play, Allure Homme Sport), orientalische Nuancen (L'Instant pour Homme, Armani Code, Brit for Men, Baldessarini...), maskuline florale Akkorde (Dior Homme, Les Fleurs du Mâle, Gucci pour Homme II) boomen.

2010er Jahre

Die 2010er Jahre sind geprägt von der Wirtschaftskrise. Die Parfums werden wieder schick, elegant und tiefer. Wieder einmal sehen wir wie politisch Parfum sein kann, in dem viele Bestseller die Farbe der Krise in ihr Konzept adaptieren.

  • Zu den dunklen Neuerscheinungen zählen beispielsweise Yves Saint LaurentsBlack Opium (2014) oder Chanels Coco Noir (2012) und beweisen, dass Schönheit auch im Leiden zu finden ist.
  • La Vie est Belle von Lancôme (2012) erobert mit dem Lächeln von Julia Roberts den weiblichen Markt.
  • 2012 erobert ein weiteres dunkles Parfum den Markt: La Petite Robe Noire von Guerlain. Es verströmt jedoch enorme Lebensfreude, sowohl im Duft als auch durch seine Bewerbung.
  • Das Wettbewerbsumfeld wächst. Es fällt auf, dass Häuser, die sich ausschließlich auf Düfte konzentrieren (wie Serge Lutens, Jo Malone, L'Artisan Parfumeur, Etat libre d'Orange, Maison Francis Kurkdjian) zunehmend Kundschaft anziehen, deren Fokus auf Authentizität und Einfachheit liegt.
  • Auch die weiterwachsenden Nischenmärkte tragen ihren Teil dazu bei, dass immer mehr neue kreative Konzepte zum Leben erwachen.
  • Bei den Frauen trenden nach wie vor orientalische Gourmand-, Chypre- und Blumendüfte. Andererseits dominieren klassische Codes, mit einer wachsenden Vorliebe für Eau de Parfum, immer noch den maskulinen Markt. Traditionelle Parfumcodes werden mit einem modernen Twist neu interpretiert. Es liegt ein starker Fokus auf hoher Qualität, Inhaltsstoffen, Textur und Raffinesse.