WIRKUNG & ANWENDUNG

Körper & Psyche

Wir laufen auf einer weiten Sommerwiese und pflücken eine Wildblume, an der wir behutsam riechen. Die Geruchsmoleküle der Blume kommen mit unserer sogenannten Riechschleimhaut in Berührung. Ein Signal wird freigesetzt, welches eine Kettenreaktion chemischer sowie elektrischer Reaktionen bis hin in unser emotionales Zentrum unseres Hirns auslöst. Hier wird es analysiert, bewertet und eingeordnet.

Duft kann uns in ferne Welten entführen, träumen lassen oder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Was passiert in unserem Gehirn, sobald wir einen Geruch durch die Nase eingeatmet haben? Was entscheidet darüber, wie angenehm wir ihn empfinden? Und wie ermöglicht er es uns, ganz plötzlich fast vergessene Momente wieder glasklar vor Augen zu sehen?

Egal wo, wir sind immer von unsichtbaren Geruchsmolekülen umgeben. Diese treten beim Einatmen mit der Riechschleimhaut im oberen Teil der Nasenhöhle in Kontakt. Dort treffen sie auf winzige Flimmerhärchen, die sogenannten Riechzellen, welche sich alle 24 Stunden erneuern. Dieser Prozess ist notwendig, da wir konstant atmen und unsere Umgebungsluft immer mit Geruchsmolekülen versehen ist. Deswegen ist das Geruchssystem das einzige, welches über sich selbst erneuerbare Neurozellen verfügt. Alle anderen Sinnessysteme erreichen ihren Höhepunkt im Alter von 18 Jahren und nehmen daraufhin kontinuierlich ab.

Die Stärke des Geruchssinns hängt tatsächlich maßgeblich mit der Größe der Riechschleimhaut zusammen. Die von Menschen ist in etwa 1-2 cm2 groß, während die Flimmerhärchen bei Hunden eine bis zu 20mal größere Oberfläche bedecken.

Über den Geruchsnerv werden Signale an das hedonische Areal im Gehirn gesendet. Hier dreht sich alles um Genuss. Von dort aus wird das Signal folgend an das Erkennungszentrum weitergeleitet, welches die Analyse und Einordnung des Duftes ermöglicht. Dies ist essenziell, vor allem für unseren Geschmackssinn: Unsere Zunge kann nur fünf Geschmacksrichtungen (Salzigkeit, Süße, Säure, Bitterkeit und Umami) wahrnehmen. Alle anderen Geschmäcker erreichen uns ausschließlich durch unseren Geruchssinn.

Vieles in unserem Gedächtnis passiert unbewusst. Unter anderem auch die Abspeicherung von Gerüchen in einem sensorisch-emotionalen Kontext. Somit steht ein Duft häufig mit Bildern, Klängen und Erinnerungen in Verbindung. Dieses Phänomen nennt man in der Psychologie den „Madeleine-Effekt“. Der Begriff führt uns zu dem Schriftsteller Marcel Proust, welcher diesem Gebäck in seinem Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ mehrere Seiten widmet. Der Geschmack einer in Tee getunkten Madeleine erinnert den Erzähler an seine Kindheit und wird damit zum Katalysator des gesamten Werks.

Der menschliche Geruchssinn

10 Millionen

Anzahl der olfaktorischen Neurone in der Riechschleimhaut.

400

unterschiedliche Rezeptoren durchschnittlich - 1000 bei Nagetieren, 2000 bei Elefanten.

1 Sekunde

Dauert es maximal, bis olfaktorische Informationen im Gehirn verarbeitet werden.

1 cm2

Beträgt die Oberfläche der Riechschleimhaut, wenn man sie ausbreitet. Das entspricht der Größe einer Briefmarke.

Gerüche sind dazu in der Lage, starke Emotionen in uns hervorzurufen. Das liegt daran, dass der älteste und primitivste Teil unseres Hirns, das limbische System, besonders eng mit unseren Geruchsrezeptoren verbunden ist. Dieses Areal im Gehirn ist für unser Affekt- und Triebverhalten verantwortlich. Es übersetzt sensorische Informationen blitzschnell in emotionale Reaktionen. Dabei unterscheiden sich diese ausgelösten Empfindungen von Mensch zu Mensch. Unsere Herkunft, Kultur und Kindheit und die damit einhergehenden Erfahrungen im Leben – sie alle formen uns und unsere Wahrnehmung. Umfragen belegen, dass die Wahl der Düfte, die wir präferieren bzw. ablehnen, auf unseren emotionalen Assoziationen beruhen. Ein klassisches Beispiel ist der Geruch von Benzin: Die einen assoziieren damit Stress im Straßenverkehr, die anderen wiederum die Familienreise nach Italien in Kindheitszeiten. Je nachdem erzeugt derselbe Geruch eine große Bandbreite an individuellen Wirkungen.